Die „vergessene“ österreichische Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945

Anfang April 1945 erreichten die sowjetischen Truppen Wien. Die erbitterten Kämpfe dauerten bis zum 13. April, dann war Wien von den Hitlertruppen befreit.
Am nächsten Tag dem 14. April wurde die Sozialistische Partei Österreichs neu gegründet. Drei Tage später, am 17. April, gründeten sich ÖVP und KPÖ.
Diese drei Parteien beschlossen am 27. April 1945 im Wiener Rathaus die österreichische Unabhängigkeitserklärung unter dem sperrigen Titel „Proklamation über die Selbstständigkeit Österreichs vom 27. April 1945“.Mit 1. Mai 1945 trat sie durch Verlautbarung im StGBl. Nr. 1/1945 als Bundesverfassungsgesetz für die Republik Österreich in Kraft.
Die Unabhängigkeitserklärung besteht aus zwei Teilen, einer Präambel in der auf das völkerrechtswidrige Zustandekommen und die Ausbeutung österreichischer Ressourcen und Staatsvermögen durch das Deutsche Reich hingewiesen wird und dem Text der Unabhängigkeitserklärung.
Die Unabhängigkeitserklärung besteht aus fünf kurzen Artikeln. Artikel I erklärt die demokratische Republik Österreich als wiederhergestellt und dass sie im Geiste der Verfassung von 1920 wieder einzurichten ist.
Artikel III betont, dass aus allen antifaschistischen Parteien eine Provisorische Staatsregierung einzusetzen ist.
Unterzeichnet wurde sie für die SPÖ von Dr. Karl Renner und Dr. Adolf Schärf, für die ÖVP von Leopold Kunschak und für die KPÖ von Johann Koplenig.
Am 26. Oktober 1966 wurde das Staatsgründungsdenkmal zur Erinnerung an die Gründung der Zweiten Republik im Schweizer Garten im 3. Wiener Gemeindebezirk errichtet. Das Denkmal besteht aus drei Chrom-Nickel-Stahl geschwungenen Pfeilern, die sich zu einer Säule vereinen. Vor dem Denkmal auf dem Boden befinden sich Schriftpulte aus Stein und Beton, welche den Text der Unabhängigkeitserklärung aufweisen. 

bundesadler

Irgendwie seltsam, dass die Republik Österreich diesen Platz, der doch nicht unbedingt als frequentiert und prominent bezeichnet werden kann, dafür gefunden hat.

Am 24. November 1988 wurde am heutigen Helmut-Zilk-Platz gegenüber der Albertina, am Platz des ehemaligen Philipp-Hofes ein Gründerzeithaus, das am 12. März 1945 durch einen Bombenangriff zerstört wurde und hunderte Menschen, die in den Luftschutzkellern Schutz suchten und starben, das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus vom renommierten Bildhauer und politisch tätigen Alfred Hrdlicka errichtet.
Dieses Denkmal besteht aus Granit und aus mehreren thematischen Teilen. Durch das „Tor der Gewalt“ trifft man auf den „Straßenwaschenden Juden“, dahinter befindet sich der Stein „Orpheus betritt den Hades“ und den Abschluss bildet der „Stein der Republik“. Auf diesem sind Auszüge der damals formulierten Regierungserklärung und die Namen derer verewigt, die sie unterschrieben. Diese Regierungserklärung ist ein bedingungsloses Bekenntnis zur demokratischen Republik und eine Absage an jegliche Form der Diktatur, des Faschismus und des Nationalsozialismus.
Das offizielle Österreich und auch die Medien „verräumen“ die Erinnerung an die Unabhängigkeitserklärung und die Gründung der drei Parteien noch während der Hitlerdiktatur.
Es wäre höchste Zeit diese Daten in der Öffentlichkeit dementsprechend zu thematisieren und im Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung zu verankern.
Damit es dem 14. und dem 27. April nicht so ergeht wie dem 12. November, der in der Ersten Republik Staatsfeiertag war, und im Laufe der Jahrzehnte zu einer Marginalie verkommen ist.

Willi Soucek

 

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