10. Mai 1933, Bücher auf dem Scheiterhaufen

Vor 80 Jahren brannten in Nazideutschland, in 22 Universitätsstädten, die Scheiterhaufen. Diese schaurige Inszenierung fand unter dem Motto „Aktion wider den undeutschen Geist“ und gegen „zersetzenden Schrifttums“ von der Deutschen Studentenschaft statt.
Initiator dieser Untat war der „Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung“ Joseph Goebbels. 
Sie brannten am Königsplatz in München, auf dem Schlossplatz in Breslau, vor der Bismarcksäule in Dresden und auf dem Römerberg in Frankfurt. 
In Berlin brannte am Opernplatz einer der größten Scheiterhaufen. Rund 20.000 Bücher wurden ein Raub der Flammen.

In einer schaurig inszenierten Zeremonie wurden pathetische Feuersprüche, meistens von Studenten vorgetragen, Werke von dutzenden Autoren unter anderem mit dem Spruch: „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht und Sitte in Familie und Staat, ich übergebe der Flamme die Schriften von Sigmund Freud, Kurt Tucholsky, Erich Maria Remarque und Arthur Schnitzler“.

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Die öffentliche Verbrennung undeutscher Schriften und Bücher auf dem Opernplatz Unter den Linden in Berlin, durch Studenten der Berliner Universitäten!
Die von den Studenten eingesammelten undeutschen Schriften und Bücher, werden öffentlich auf dem Opernplatz in Berlin, ins Feuer geworfen. © Bundesarchiv, Bild 102-14597 / CC-BY-SA

Dieser und andere Sprüche folgten für viele Schriftsteller und Autoren. Es traf Autoren, die nicht in das Weltbild der nationalsozialistischen Ideologie passten. Betroffen waren vor allem Schriftsteller, die sich einer humanen, sozialen der Aufklärung und der Toleranz verbundenen Geisteshaltung und den Menschenrechten verbunden fühlten.

Der Rassenideologie des NS-Regimes zufolge waren Autoren jüdischen Glaubens bzw. nach deren „Abstammung“ besonders „undeutsch“.

Es wurde auch nicht Halt gemacht vor ausländischen Schriftstellern. So wurden unter anderem Werke von Ilja Ehrenburg, Jaroslav Hasek, Ernest Hemingway, Jack London, B. Traven und Anna Seghers ein Raub der Flammen.

Heinrich Heine, Heinrich, Klaus und Thomas Mann, Joachim Ringelnatz, Josef Roth, Bertha von Suttner, Frank Wedekind, Franz Werfel, Carl Zuckmayer, Arnold und Stefan Zweig um nur einige zu nennen zählten zu den Verfemten.

Erich Kästner, dessen Bücher ebenfalls am Scheiterhaufen landeten war Augen- und Ohrenzeuge in Berlin am Opernplatz. In der Frankfurter Ausgabe von „Die Neue Zeitung“ vom 9. Mai 1947 beschreibt er die Bücherverbrennung am Berliner Opernplatz unter anderem folgendermaßen:

„Es war wohl allen ohne Ausnahme klar, dass sie heute der gesamten zivilisierten Welt ein unvergessenes und widerwärtiges Schauspiel boten. Goebbels hatte eine Pöbelparole ausgegeben und ließ sie nicht von der Plebs, sondern von der Elite ausführen!

Er stand auf einer von Mikrophonen belagerten Estrade und gestikulierte vor dem Feuerschein wie ein Teufelchen vor der Hölle. Das war kein Großinquisitor, sondern ein kleiner pöbelnder Feuerwerker. Hier rächte sich ein durchgefallener Literat an der Literatur. Nicht irgendein hergelaufener Raufbold und seine Meute verrieten hier den Geist, sondern ein Gundolfschüler und die akademische Jugend Deutschlands.“ (Zitiert aus: „Über das Verbrennen von Büchern, Atrium Verlag AG, Zürich 2012, € 10,30).

Ein heute zu Unrecht fast vergessener Autor, der bayerische Dichter und Schriftsteller Oskar Maria Graf, befand sich während der Bücherverbrennung auf der ersten Station seines Exils in Österreich. Zu seinem Entsetzen fand er sich auf der NS-Liste empfohlener Autoren. In einem Protestschreiben, in österreichischen Tageszeitungen verlangte er „Verbrennt auch mich“! Diesem Aufruf wurde von der NS-Diktatur nachgekommen.

Erich Kästner wurde noch ein zweites Mal „verbrannt“. In Düsseldorf verbrannte eine evangelische Jugendgruppe des „Bundes Entschiedener Christen“, am Rheinufer Bücher von Camus, Sagan, Nabokov, Grass und Kästner. Der Sturm der Entrüstung und die Berichtererstattung im In- und Ausland bewog die Evangelische Landeskirche zu einer Distanzierung. Der damalige amtierende SPD-Oberbürgermeister verniedlichte anfänglich die Aktion und erst nach Wochen nachdem der „Bund Entschiedener Christen“ diese Verbrennung neuerlich gut hieß verurteilte er diese Aktion. Wie heißt es doch? Die Geschichte lehrt uns jeden Tag, doch sie findet zu wenig Schüler.

Bücherverbrennung in Österreich 

Am 30. April 1938 kam es in Salzburg auf dem Residenzplatz zur einzigen Bücherverbrennung auf österreichischem Boden während der NS-Herrschaft.

Der seit 1932 in der illegalen NSDAP tätige Karl Springenschmied, ein der Blut-und Boden-Ideologie anhängender Autor, war 1938 Leiter des Salzburger Schulwesens und oberster NS-Lehrerbundfunktionär. Er inszenierte diese Verbrennung und sprach bei der „Feuerrede“ von der „Notwendigkeit der Vernichtung alles Klerikalen und Jüdischen“. Er war auch der Verfasser des NS-Stückes „Das Lamprechtshausner Weihespiel“. Dieses Stück sollte die jährliche Aufführung des „Jedermann“ auf dem Salzburger Domplatz ersetzen. Es kam nur zweimal, 1938 und 1939, zur Aufführung. Es war sogar den Nazis zu schwülstig und peinlich.

Springenschmied stand als mutmaßlicher Kriegsverbrecher auf der Fahndungsliste. Er flüchtete und versteckte sich bis 1951 in den Bergen, nahm den Namen Karl Bauer an und verschaffte sich falsche Papiere.

1951 nach der Einstellung der gerichtlichen Ermittlungen und 1953 durch die Aufhebung seines Berufsverbotes konnte er wieder frei publizieren. Ab 1956 lebte er wieder in Salzburg wo er 1981 auch starb.

Im heurigen April haben Salzburger Studenten, Professoren und engagierte Demokraten eine Gedenkveranstaltung am Residenzplatz abgehalten. Eine der Forderungen war, dass ein würdiges Denkmal an diese verbrecherische Tat erinnern soll.

Es ist zu hoffen, dass im 76igsten Jahr danach diese Forderung umgesetzt ist.

Heinrich Heine, der ebenfalls verbrannte Literat, hat in seiner Tragödie „Almansor“ (1821), in der Szene wo die Verbrennung des Korans durch christliche Ritter 1499/1500 in Spanien thematisiert wird, einer seiner Figuren den Satz sagen lassen:

 „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“.

Dieses Zitat wird bis heute als prophetisch für die Bücherverbrennung 1933 verstanden und findet sich auf Mahnmalen und Gedenkstätten.

(c) Willi Soucek

 

 

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