Bruno Kreisky 22. 1. 1911 bis 29. 7. 1990

In den letzten Tagen und auch in den folgenden Wochen und Monaten wurde und wird über den SPÖ-Bundesparteivorsitzenden und Bundeskanzler von 1970 bis 1983 noch viel gesagt, geschrieben und gesendet werden.

Im Folgenden soll aber die Aufmerksamkeit vor allem auf Kreiskys Jahre seiner politischen und rassistischen Verfolgung durch die Austrofaschisten und Nationalsozialisten gelenkt werden.

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Kreiskys Wirken und Handeln mit seinem Team für Österreich, wurde in vielen Gesetzen, die heute selbstverständlich sind, zu Papier gebracht und mit Leben erfüllt. Um nur einige Beispiele zu nennen: Einführung der 40 Stunden Woche, die Erhöhung des Mindesturlaubes auf fünf Wochen, die Abfertigung für Arbeiter, der Mutter-Kind-Pass, die Entkriminalisierunggleichgeschlechtlicher Beziehungen, die großen Reformen im Familienrecht, im Strafrecht, die Abschaffung der Aufnahmeprüfung an Gymnasien und des Studienbeitrages, Einführung der Schulbücher und Schülerfreifahrten u.v.m.

Für die Donaustadt, unserem Lebensbezirk, hat er aber darüber hinaus steinerne Denkmäler gesetzt. Die UNO-City mit Konferenzzentrum und das Motorenwerk in Aspern.

Bruno Kreisky wurde mit einer ohne Hausnummern versehenen Gasse zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Innenministerium bedacht. Der Vorplatz zur UNO-City/Konferenzzentrum trägt seinen Namen und im 5. Wiener Gemeindebezirk gibt es einen Park mit seinem Namen.

Das Stadterweiterungsgebiet Flugfeld Aspern bietet sich an hier einen Bruno Kreisky Ring oder Bruno Kreisky Boulevard zu schaffen. Gerade in nächster Nähe zu dem geschichtsträchtigen ehemaligen Flughafen, und dem General Motors Werk.

Der aus großbürgerlichem Haus stammende Bruno Kreisky interessierte sich schon früh für die augenscheinlichen sozialen Unterschiede der in Wien lebenden Menschen. Als Kind und Jugendlicher sah er wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen Gleichaltriger unterschiedlicher nicht sein konnten. Durch seinen wachen Geist, sein Nachfragen und auch seinen Gerechtigkeitssinn, war es für ihn klar, dass er sich in seiner Schulzeit mit 13 Jahren, dem VSM (Vereinigung sozialistischer Mittelschüler) anschloss.

Der Brand des Justizpalastes, das Agieren der Polizei, die wild in die Menge der demonstrierenden Arbeiter schoss, die Verwundeten und Toten, bewirkten bei dem damals 16jährigen, dass er unmittelbar nach dem 15. Juli 1927 der SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend) beitrat. Sein Beitritt verlief nicht ganz problemlos. Die Jugendfunktionäre, alles Lehrlinge und junge Arbeiter, konnten mit einem „Bürgerbuberl“, der noch dazu stets makellos gekleidet war, wenig anfangen. Seine Bekleidung (oder Verkleidung), war aber nicht weil es der junge Bruno so wollte, sondern weil er seiner Mutter vorschwindelte in die Tanzschule zu gehen.

Das Misstrauen und die Skepsis seiner Genossen wurden aber nach einiger Zeit überwunden und er wurde nach einem Jahr seiner Aufnahme zum 3. stellvertretenden Obmann und wenig später zum Obmann des 4. Wiener Gemeindebezirkes gewählt.

Seine Zeit bei der SAJ, die Massenarbeitslosigkeit der Weltwirtschaftskrise und das Elend der Arbeiterschaft legten bei ihm den Grundstein für seine spätere Politik.

Die Ereignisse des März 1933 (Ausschaltung des Parlaments, Lahmlegung des Verfassungsgerichtshofes und das Regieren mit dem kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917) durch Kanzler Dollfuß, bestärkten Kreisky und seine Mitstreiter, dass der Kampf gegen die sich abzeichnende Diktatur und das Eintreten für die Demokratie noch intensiver zu sein hat.

Der Februar 1934 setzte diesem Vorhaben aber ein blutiges Ende. Die Sozialistische Partei und alle ihre Nebenorganisationen wurden von der siegreichen austrofaschistischen Regierung verboten. Die Standgerichte verhängten und vollzogen Todesurteile an kämpfenden Schutzbündlern. So wurde der schwerverletzte Karl Münichreiter auf der Tragbahre zum Galgen gebracht. Der Ausnahmezustand wurde auf persönlichen Befehl von Dollfuß bis zum 16. Februar aufrechterhalten um den steirischen Nationalratsabgeordneten und Landesparteisekretär der Sozialistischen Partei Steiermark, Koloman Wallisch noch standrechtlich zu erhängen.

Kreisky und viele seiner Genossinnen und Genossen fanden sich in der Illegalität wieder. Die Parteistrukturen waren zerschlagen, viele Funktionäre im Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert, ein Teil ins Ausland vor allem nach Brünn, unter ihnen Otto Bauer, geflüchtet.

Die Jugendfunktionäre trafen sich bei Wanderungen und Spaziergängen vor allem im Wienerwald und versuchten neue Strukturen aufzubauen. Zu Weihnachten 1934 kam es an der niederösterreichisch-steirischen Grenze in einem Bauernhof am Lahnsattel zur ersten Jugendkonferenz der Revolutionären Sozialisten (RS).

Für die in Brünn stattfindende Konferenz der „Vereinigten Sozialistischen Partei“ wurden Kreisky und Roman Felleis vom RS als Delegierte zur Jahreswende 1934/35 entsandt. Keiner der Delegierten ahnte, dass es der österreichischen Staatspolizei gelungen war einen Spitzel zu der Silvester-Konferenz einzuschleusen. Durch diese Spitzelaktion wurden in den folgenden Wochen viele Genossinnen und Genossen verhaftet. Kreisky reiste Ende Jänner 1935 neuerlich nach Brünn um Otto Bauer zu berichten und seinen Rat einzuholen.

Am 31. Jänner 1935 wurde Kreisky um 6.00 Uhr früh von der Staatspolizei aufgefordert zu einer Auskunftserteilung in das Polizeipräsidium mitzukommen. Tatsächlich wurde er aber in das Polizeigefangenenhaus Elisabethpromenade, heute Roßauer Lände, gebracht. Bei den folgenden Verhören leugnete er seine Teilnahme an der Brünner Konferenz, aufgrund der Faktenlage, man fand seinen zweiten Pass mit den Ein- und Ausreisestempeln in die Tschechoslowakei, legte er ein Teilgeständnis ab.

Nach vier Monaten Polizeigefängnis wurde er am 30. Mai 1935 in das Landesgericht überstellt. Dort kam er mit anderen politischen Gefangenen, Sozialisten, Kommunisten und Nationalsozialisten zusammen. Diese Zeit beschreibt Kreisky selbst in einer Anekdote in etwa so: „Die Kommunisten hatten ihren Stalin, die Nationalsozialisten ihren Hitler, nur der kleine Sozialdemokrat hatte niemanden, nur das Wissen und die Idee einer gerechten, humanen Gesellschaft. Diese Idee hat sich schlussendlich durchgesetzt.“

In der Zeit seiner Haft nahm er sich die Worte August Bebels zu Herzen, der feststellte, dass die zweijährige Festungshaft bei ihm ein Universitätsstudium ersetzt habe. Kreisky las fast ununterbrochen. Bücher von Hilferding, Spann, Bucharin, Marx und Lenin. Weiters las er Biografien über Bismarck, Hindenburg, Rathenau, die neusten Bücher über Mussolini und Hitler. Werke von Torberg, Ehrenburg, Rilke, Neumann, Mann, Wells, Einstein, Adler (Max), komplettierten seinen unbändigen Lesehunger.

Erst am 17. Jänner 1936 wurde ihm und seinen Mitangeklagten die Anklageschrift zugestellt. Sämtliche Beschuldigte wurden des Hochverrates beschuldigt und die Höchststrafe (Todesurteil) gefordert. Friedrich Adler gelang es berühmte Sozialisten wie Leon Blum, den belgischen Sozialdemokraten Emile Vandervelde und den Friedensnobelpreisträger Arthur Henderson zu mobilisieren. Daraufhin trafen dutzende Solidaritätstelegramme aus dem demokratischen Europa in Wien bei der Regierung Schuschnigg ein.

Am 16. März 1936, in Anwesenheit großer internationaler Medien und politischen Vertretern, fand der Prozess gegen die 28 Angeklagten statt. Kreisky, der sich wochenlang auf diesen Tag vorbereitet hat, hielt eine eindrucksvolle Rede. Er bekannte sich dazu Sozialist zu sein, illegale Zeitungen gelesen zu haben und weiterhin zum Klassenkampf. Seine Verteidigungsrede wurde in großen Zeitungen wie der Daily Herald und der Times berichtet. Das internationale Echo darauf war groß. Am siebenten Verhandlungstag wurden die Urteile verkündet. Karl Hans Sailer und Marie Emhart bekamen zwanzig bzw, achtzehn, Roman Felleis sechzehn und Bruno Kreisky zwölf Monate schweren Kerker. Dreizehn Angeklagte wurden freigesprochen, die restlichen erhielten geringe Haftstrafen. Die internationale Präsenz und die Verteidigungsreden der Angeklagten führten zu diesen „milden“ Urteilen.

Am 3. Juni 1936 wurde Kreisky aus der Haft entlassen. Trotz seiner Haftentlassung stand er weiterhin unter Beobachtung der Polizei und musste sich regelmäßig melden. Auch das im August 1935 erlassene Studienverbot wurde erst im November 1937 aufgehoben. Erst dann konnte er sich den ausstehenden Prüfungen seines Jusstudiums widmen. Am 14. März 1938, zwei Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich, legte er seine Prüfung für das letzte Rigorosum ab. Seine Urkunde konnte er nicht persönlich in Empfang nehmen. Dies tat ein Freund am 30. September 1938.

Der 15. März 1938 war der Beginn der Gestapohaft Kreiskys. Von einer Zelle des Polizeikommissariates wurde er nach einigen Tagen in das Landesgericht überstellt. Die Gestapo verhörte ihn im Hotel Metropol, wo ihm zwei Zähne ausgeschlagen wurden. Nach dem Verhör wurde er in das Landesgericht zurückgebracht. Erst am 8. August 1938 wurde er aus der Haft entlassen, nachdem er sich bereit erklärt hatte Österreich zu verlassen und nach Bolivien auszureisen. Daraufhin erhielt er einen Reisepass für Deutschland, Polen und Übersee. Tatsächlich war seine Absicht nach Schweden zu emigrieren.

Ein ehemaliger Mithäftling während des Austrofaschismus, jetzt ein hochrangiger NS-Funktionär, Weninger, warnte im September 1938 Kreisky, dass er rasch Österreich verlassen solle, denn sonst käme er nicht mehr hinaus. Am 21. September 1938 verließ er Österreich mit einem Flugzeug der Lufthansa Wien nach Berlin, von dort ging es nach Kopenhagen und in weiterer Folge nach Stockholm.

In Stockholm kam er in eine andere Welt. Er sah wie soziale Demokratie gelebt wurde. Bildung und Wohlfahrt für die Arbeitnehmer ein wesentlicher Bestandteil der Politik war. Kreisky selbst bekam eine Anstellung bei der Stockholmer Konsumgenossenschaft. Seine politische Tätigkeit betrieb er aber weiterhin. So gab es regelmäßigen schriftlichen Gedankenaustausch mit der Exilgruppe in London (Buttinger, Pollak), sowie mit den rund eintausend in Schweden lebenden Österreichern. Natürlich auch mit vielen schwedischen Politikern.

Kontakte zu Künstlern, Intellektuellen und Schriftstellern, wie Bertold Brecht, wurden von ihm in dieser Zeit ebenfalls wahrgenommen.

1940 lernte er im Exil den späteren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt kennen. Die Freundschaft zwischen den beiden Männern hielt fünf Jahrzehnte lang.

1942 heiratete er Vera Fürth, eine Sprachstudentin mit österreichischen Wurzeln. Sein Sohn Peter wurde 1944, seine Tochter Suzanne 1948 in Schweden geboren.

Nach dem Kriegsende sollte es noch fünf Jahre dauern bis es Kreisky von der Partei und der österreichischen Regierung erlaubt wurde zurückzukehren und im auswärtigen Dienst tätig zu werden. Erst Anfang Jänner 1951 war seine zwölfjährige Exilzeit endgültig zu Ende.

Seine Erfahrungen und Erlebnisse in der Emigration prägten ihn und auch seine Politik im Umgang mit Minderheiten und Verfolgten als Regierungschef.

Ein weiterer Schwerpunkt seines Politikverständnisses war der Leitspruch des französischen liberalen Politikers Edouard Herriot: „ Wer die Demokratie stabilisieren will, muss sie in Bewegung halten.“

Ironie der österreichischen Geschichte ist, dass Kreisky und alle anderen demokratisch gesinnten Mitverurteilte bis heute nicht gesetzlich rehabilitiert wurden. Sie gelten somit alle noch als „Hochverräter“.

Weiterführende Literatur:

Ulrike Felber (Hg.) Auch schon eine Vergangenheit, Gefängnistagebuch und Korrespondenzen von Bruno Kreisky, Mandelbaum Verlag, Wien 2009;

Wolfgang Petritsch, Bruno Kreisky, Die Biografie, Residenz Verlag 2010

Autor: Willi Soucek

Bild: (c) Bundesheer

http://www.bmlv.gv.at/download_archiv/photos/bundesminister/galerie.php?id=127

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